Als 17-Jähriger war ich das erste Mal in Tunesien.
Ein Hotelurlaub in der Küstenstadt Sousse mit meinem Vater. Halbpension. Hotel-Pool. Stadt- und Museumsbesichtigungen.
Für mich alles andere als spannend. Was mich aber faszinierte, war das orientalische Flair in der Medina von Sousse, das bunte
Gewusel und Treiben in den engen, überdachten Gassen. Eine Sprache, die ich nicht verstand, aus unzähligen Mündern
lautstark wiedergegeben. Hier wollte ich wieder hin, das nahm ich mir vor. Flüge nach Tunesien waren schon damals nicht sehr teuer.
Zum Glück fand ich bei David im Bücherregal Thomas Trossmanns Taschenbücher über seine Sahara-Reisen. Von da an stand für mich fest,
dass ich mit dem Motorrad nach Tunesien reisen wollte. Im Frühjahr 1993 war es soweit. Über eine Anzeige im Tourenfahrer fanden wir
uns zusammen: Stefan Domek (BMW R 80 GS), Brigitte Wolf (Honda XBR 500), Gerhard Fröhlich (Yamaha SR 500) und ich mit meiner
Yamaha XT 600 Z Ténéré. Vier Wochen lang reisten wir - zumeist auf Asphaltstraßen - durch das nordafrikanische Land. Stefan und ich
hatten noch je eine Freundin auf dem Sozius-Platz dabei. Mit der Fähre setzten wir von Genua nach Tunis über. Eine genaue Routenplanung
hatten wir nicht gemacht. Lediglich einige Stationen wollten wir sehen. Brigitte interessierte sich für ein Araber-Gestüt im Norden
Tunesiens nahe der algerischen Grenze, wo wir für zwei Tage die Gastfreundschaft genossen. Doch schon auf dem Weg in den Norden,
von Hammamet über Zaghouan Richtung Bizerte verfuhren wir uns, gerieten auf schlammige Feldwege und landeten bei einer freundlichen
Bauernfamilie, die uns ihren Hof für die Nacht anbot. Für uns Unerfahrene ein sehr spannendes Erlebnis. Unsere drei Damen wurden gleich
von den Töchtern des Hauses in Beschlag genommen und verschwanden mit ihnen in irgendwelchen Räumen. Derweil bereitete die Mama leckeres Essen zu
und wir versuchten mit Händen und Füßen und etwas Französisch die Neugier unserer Gastgeber zu stillen. Gut, dass Gerhard seine
Polaroid-Kamera dabei hatte. Die Freude der Familie über die Fotos war riesig.
Entlang der algerischen Grenze auf dem Weg Richtung Süden war der "Table de Joghurta" ein weiteres Ziel. Wir stellten unsere Zelte am
steinigen Fuß des Tafelbergs auf, besichtigten die Ruinen auf seiner Plattform und genossen eine herrliche Aussicht. Am nächsten Morgen
überraschte uns eine Tunesierin mit frischgebackenen, noch heißen Fladenbroten. Mit diesen Eindrücken fuhren wir weiter Richtung Süden.
Die Landschaft wandelte sich, wurde trockener. An den Straßenrändern lag immer mehr Sand, wo zunächst noch Eukalyptus-Bäume und Kakteen
das Bild bestimmten, spendeten bald nur noch Palmen bescheidenen Schatten. Über Kasserine, Gafsa und Metlaoui gelangten wir schließlich
nach Touzeur und dort auf den Campingplatz "Belvedere". In der warmen Quelle wuschen wir uns Schweiß und Staub vom Körper und planschten
mit tunesischen Jugendlichen. Der Platz machte mit seinen verbrannten Palmen schon damals einen heruntergekommenen Eindruck, genauso wie
sein Besitzer, der sich offensichtlich mehr um die nächste Dosis Alkohol als um seinen Campingplatz kümmerte. Heute stehen dort einige
Hotels und die Quelle bewässert einen 25 Hektar großen Golfplatz - direkt am Rande der Wüste.
Uns zog es weiter über den Salzsee Chott el Djerid nach Douz. Während dieser Etappe gerieten wir in einen Sandsturm. Die Sicht schrumpfte
in dem Sandstrahlgebläse in wenigen Minuten auf etwa 30 Meter. Wie feine Nadelstiche piekste es überall dort, wo kein Stoff die Haut schützte.
Am Ende des Damms stand ein Café, in dem wir Zuflucht suchten und unsere ersten Eindrücke mit diesem Element verarbeiteten. Douz hatte schon
damals einen schön gelegenen Zeltplatz, auf dem sich Reisende trafen. Das Städtchen gilt als Tunesiens Tor zur Sahara. Am Rande des Ortes
lecken die ersten Sanddünen, wie Wellen eines Meeres.
Gerhard und ich beschließen, mit zwei anderen Motorradfahrern eine zweitägige Pistentour nach Ksar Ghilane zu unternehmen. Die beiden sind
aus unserer Sicht Rallye-mäßig ausgestattet und legen auch ein entsprechendes Tempo vor. Am Café an der Pistenkreuzung würden sie auf uns warten.
Bis dahin sollten wir nur stur geradeaus fahren. Von dort aus heißt es wieder, einfach der Hauptpiste folgen. Die beiden sind schnell weg,
Gerhard mit ihnen, ich folge mit wenigen Minuten Abstand. Karte oder Kompass habe ich nicht dabei, nur etwas Wasser. Die Spurenbündel verzweigen
sich immer wieder, ich versuche der größten zu folgen und stehe irgendwann im Nirgendwo. Keine Spur mehr weit und breit zu sehen.
Was tun? Umdrehen? Weiterfahren? Ich bin kurz davor in Panik auszubrechen. Von einer leichten Anhöhe aus entdecke ich in einiger
Entfernung eine Staubfahne und folge ihr querfeldein, bis ich sie einhole. Es ist Gerhard, der auf seiner SR 500 auf der Hauptpiste
gemütlich dahinrollt. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Nach einer kurzen Verschnaufpause fahren wir gemeinsam weiter bis zum vereinbarten
Treffpunkt an der Abzweigung nach Ksar Ghilane. Dort warten wir sicherlich noch eine Stunde, ehe einer der beiden anderen Endurofahrer
mit seiner HPN-BMW angestaubt kommt, den Helm abnimmt und erleichtert ausruft, "da seid ihr ja. Wir haben euch schon fast als vermist gemeldet."
Später erfahren wir, dass die beiden sich getrennt hatten, um nach uns zu suchen, und der Zweite auf dem Zeltplatz in Douz für Aufregung gesorgt hat.
Dieses Erlebnis war mir eine Lehre für meine folgenden Sahara-Reisen. Auf der weiteren Tour haben wir noch die Höhlenwohnungen von Matmata besichtigt,
das große Amphitheater von El Djem und die Altstadt von Sousse. Nach vier Wochen brachte uns die Fähre Habib wieder nach Genua.
Die Fotos sind eingescannte Dias. Bitte entschuldigt die nicht ganz optimale Qualität.
Text & Fotos: Thomas Stutz |