Algerien 2001 - Ein Ossi und ein Wessi in der Sahara

Anmerkung: Es ist mehr Text geworden, als gedacht. Wer die Bilder anschauen will, scrollt einfach bis ans Seitenende.

Tagebuch 24.2.2001

Vergessen sind die Strapazen der vergangenen drei Wochen; vergessen das stundenlange Ausharren an der A5, in eisiger Kälte, bis meine Mitfahrgelegenheit nach Genua eintraf. Auch die üblichen Scherereien mit dem italienischen Hafenpersonal um die Fährtickets, Bordkarten, Einfahrreihenfolge etc. sind überwunden. Wir sind an Bord der Carthage und die kommenden Wochen werden für alles entschädigen. Trotz guter Vorbereitung habe ich mir ein bisschen Arbeit mit an Bord der Fähre genommen: Die Tanktaschen muss ich noch fertig nähen, damit ich das Gepäck besser auf meiner TT verteilen kann.

Tagebuch 28.2.2001

In Nabeul trennen Raol und ich uns von Matthias, Wolfgang und Bernward und schließen uns einer Truppe KTM-Fahrer an (Marc, Frank, Theo und Max), um gemeinsam nach Gafsa zu fahren. Zwei Pistenetappen von insgesamt etwa 45 Kilometern erlaubten auf dieser Strecke erste Off-Road-Eindrücke. Am Dienstavormittag erreichen wir Touzeur und treffen dort auf Andreas Schwall und seine Freundin Carol, die mit einem Pkw durch Tunesien reisen. Ein schönes Wiedersehen. Von Nabeul aus unternehmen Raol und ich einen Abstecher zu den Star Wars-Filmkulissen, die einige Kilometer nördlich in einer Sandsenke aufgebaut sind und als Touristenattraktion vermarktet werden. Mir kommen die aus Pappmaché erstellten Gebäude sehr klein vor. Das ganze Areal umfasst etwa eine Fläche von der Größe eines halben Fußballfelds. Doch unser Ziel ist Algerien. Die Einreise geht überraschend schnell und unkompliziert - sieht man einmal von den Sprachproblemen ab. Und wie sich schon in Tozeur angekündigt hatte, werden wir stürmisch empfangen. Kräftige Böen wehen Sand über die Straße und verschleiern die Luft. Wir sehen zu, dass wir Strecke machen. Die ursprünglich angepeilte Dünenpassage durch den Großen Östlichen Erg lassen wir vorerst links liegen. Und fahren über El Oued direkt nach Touggourt, wo wir uns ein Hotelzimmer nehmen. An Zeltaufbau währe bei diesem Sturm nicht zu denken gewesen.

Tagebuch 2.3.2001

Auf der Weiterfahrt in Richtung Hassi Messaoud treffen wir auf fünf Motorradfahrer aus Deutschland. Wir beschließen, gemeinsam die Strecke über Sif Fatima nach Deb Deb zu bewältigen. Leider ist das Gruppenverhalten und die gegenseitige Rücksichtnahme innerhalb der zusammengewürfelten Fünfergruppe (2 x BMW R 100 GS PD, 1 x BMW F 650, 1 x Honda XRV 650, 1 x KTM 640 LC4) nicht sehr ausgeprägt. Dementsprechend verhält es sich auch mit der Hilfsbereitschaft beim Ausgraben. Patrick und Eberhard, die Unerfahrendsten der Truppe, mühen sich auf der zum Teil von Dünen überzogenen Straße immer wieder ab, ihre eingesandeten Motorräder frei zu bekommen. Kurz vor der Kreuzung (Abzweig nach Deb Deb/El Borma) errichten wir unser erstes Nachtlager in den Dünen. Bis Deb Deb reicht es nicht mehr. Rund 420 Kilometer haben wir heute zurückgelegt. Erste Materialverluste: defekter Anlasser (BMW), ein geplatzter 5-Liter-Wasserkanister und meine beiden selbstgenähten Seitentaschen sind bei einem Sturz zerrissen. Das Erlebnis Wüste ist vor allem am Abend sehr ausgeprägt. Wenn ich nach langer Fahrt und körperlich erschöpft vom vielen Ausgraben und Anschieben alleine auf dem Grat einer Düne sitze, meinen Blick auf Unendlich gestellt und meine Gedanken frei im Raum schweifen lasse. Morgen werden wir in Deb Deb einen Tag Pause einlegen, um Eberhards BMW wieder fit zu machen, Gepäck sortieren und optimieren und die Weiterfahrt zu planen.

Tagebuch 4.3.2001

Deb Deb stellt sich als verschlafenes kleines Dorf dar, mit Restaurant und Tankstelle sowie ein paar kleinen Läden. Wir essen Couscous im Restaurant und trinken die herrlich erfrischende Limonade, die uns angeboten wird. Nachdem wir getankt haben, rollen wir die restlichen 220 Kilometer bis zu der Ölbohrstadt In Amenas durch. Es wird bereits dunkel, als wir nach monotoner Asphaltfahrerei die Jugendherberge von In Amenas erreichen. Der nächste Tag - es ist Sonntag - gehört ganz der Motorradpflege. Im Luftfilter meiner TT hat sich einiges angesammelt, Schrauben müssen nachgezogen werden. Arno kümmert sich um Eberhards Anlasser. Als wir gepackt haben und um 12.30 Uhr bei der Polizei unsere am Vortag abgegebenen Pässe abholen wollen, erfahren wir, dass bis 14.00 Uhr Siesta ist. Kein Wunder bei den Temperaturen, die sich inzwischen eingestellt haben. Wir nehmen es hin und wollen unsere Motorräder auftanken. Doch aus der betagten Säule kommt nur ein dünnes Rinnsal. Es ist zu heiß. Selbst als der Tankwart eimerweise Wasser über die am Boden verlaufende Tankleitung schüttet, um sie zu kühlen, tut sich nicht viel mehr. Da mein Spritvorrat noch bis Illizi reicht, setze ich mich in den Schatten eines Cafés und trinke eine kühle Cola und beobachte das Geschehen.

Tagebuch 5.3.2001

260 Kilometer Teerstraße haben wir von In Amens bis Illizi in einem Rutsch zurückgelegt. Raol und ich haben uns Zeit gelassen und sind in gemütlichem Tempo gefahren, haben hier und da angehalten, um die Landschaft links und rechts in uns aufzunehmen, den Wechsel von hohen geschwungenen Dünen und rauer Felshammada. In der Ortsmitte von Illizi geht mir der Sprit aus, genau an der einzigen großen Kreuzung. Beim Umfüllen aus dem Kanister kommt ein Verkehrspolizist zu uns, begrüßt uns freundlich mit einem Tee. Ich bin sprachlos. Viele Menschen sind unterwegs, zum Teil festlich gekleidet. Raol und ich genießen das Treiben in einem schattigen Café und treffen dort auf zwei andere Reisende aus Deutschland. Anschließend müssen wir unbedingt Raols Fleischeslust nachgeben. Doch erweist sich das Hammelkottelet als eher zäh und fettig.

Tagebuch 8.3.2001

Auf dem weiteren Weg Richtung Süden haben wir versucht einen Abstecher ins Oued Imirhou zu machen. Raol hat auf der Piste jedoch mehrmals Pech und stürzt und stellt schließlich einen Platten an seinem Hinterrad und einen geplatzten Gabelsimmering fest. Kein gutes Zeichen. Wir beschließen umzukehren und die 50 Kilometer bis zur Straße zurück zu fahren. Über das Plataeu Fadnoun geht es auf zum Teil achterbahnmäßiger Straßenführung weiter gen Süden. Ganz schaffen wir die Strecke nicht an diesem Tag. Das GPS suggeriert zwar eine machbare (Luftlinien-)Distanz bis Djanet. Doch durch die unzähligen Schwünge der Straße durch die bizarre Geröllandschaft verdreifacht sich die tatsächliche Entfernung annähernd. Wir beschließen den Tag in einer Serpentine mitten auf dem Plateau, finden ein Plätzchen zum Zelt aufstellen. Es ist absolut still. Kein Wind geht, keine Menschenseele weit und breit. Nur wir und die Mondlandschaft des Plateus. Mit den letzten Sonnenstrahlen genießen wir Spaghetti mit Soße. Am darauffolgenden Tag machen wir einen Abstecher in die Bergoase Iherir. Über eine holprige Treppenpiste arbeiten wir uns Stufe für Stufe in ein verstecktes enges Tal und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Im Gegensatz zu der kargen und trostlosen Landschaft des Plateaus erwartet uns in Iherir ein blühender Palmengarten. Die Gueltas sind randvoll mit klarem Wasser. Die Becken zum Teil so groß wie ein kleiner See, dessen Grund man nicht erkennen kann. Wir genießen diesen Anblick und rasten am Ufer der Felsenbecken. Am Fuße des Plateau Fadnoun gelangen wir nach Bordj el Haoues (Fort Gardel). Ein trostloses Kaff. Tankstelle und Restaurant sind geschlossen. Aufdringliche Kinder wollen "Stilo" (Kugelschreiber) - und wir nur noch nach Djanet. Es soll Abend werden, bis wir die "Perle der Oasen" erreichen, ein erneuter Plattfuß an Raols BMW hält auf. Am Campingplatz "Zeriba" treffen wir wieder auf die fünf anderen, die von ihrer strapaziösen Fahrt über die Tarat-Piste entlang der Algerisch-libyschen Grenze erzählen. Ausgerechnet hier in Djanet treffe ich Robby, einen Bekannten aus Marburg. Und wir lernen Elli kennen, eine Frau, die seit mehreren Monaten alleine mit ihren großen Hirtenhunden und einem vollgestopften VW-Bus durch Libyen und Algerien reist. In Djanet würfeln wir uns neu zusammen. Raol, Elli, Patrick und ich beschließen, zusammen die nördliche Piste nach Tamanrasset in Angriff zu nehme. Doch zuvor wollen wir einen Trekkingausflug nach Djebbaran imTassili N'Ajjer unternehmen.

Tagebuch 9.3.2001

Wir finden einen Führer und verhandeln mit ihm den Preis. Er fährt uns vier plus Ellis Hunde in ein Tal am Fuß des Tassili-Massivs an eine Stelle, von der wir zu Fuß starten. Durch eine enge und steile Klamm arbeiten wir uns mehrere hundert Meter nach oben auf das Hochplateu. Dort zeigt uns unser Guide viele gut erhaltene Felsbilder unter verwitternden Sandsteinfelsen. Es sind vor allem Darstellungen von Rindern.

Tagebuch 10.3.2001

Die Piste nach Tam mit VW-Bus-Begleitung ist beschlossene Sache. Aber die Abfahrt verzögert sich. Wir müssen noch Tanken und Wasser und Vorräte bunkern. Alleine das Tanken dauert, weil wir von der ersten Tankstelle zur nächsten geschickt werden. Sie hat kein Benzin mehr. Wir fassen jeweils etwa 60 Liter Treibstoff. In Fort Gardel treffen wir Elli. Und hier soll auch der Pisteneinstieg sein. Ein Einheimischer will uns noch den Weg weisen. Ich werde misstrauisch, weil er uns schon über zehn Kilometer begleitet. Es klärt sich aber alles, als er anhält, uns mit der Hand die Richtung weist und wieder umkehrt. Von jetzt an sind wir Off-Road unterwegs und Patrick, Raol und ich ziehen auf der Serirpiste unsere Bahn, gefolgt von Elli im VW-Bus, deren Staubfahne ihre Position anzeigt. Wir kommen gut voran - bis zum ersten verspurten Weichsandfeld. Elli versenkt den Bus bis zu den Achsen. Anstrengendes Buddeln und Schieben ist angesagt. Auch als nur die räder nur noch wenige Zentimeter tief imsand sitzen, reicht die Kraft des 50-PS-Diesel (2WD!) nicht, um die Fuhre aus dem Sand zu ziehen. Beim zweiten Mal Einsanden lassen wir den Luftdruck ihrer Reifen ab und vereinbaren Signale bei schwierigen Passagen. Wir geben Elli die Anweisung, in verspurten Sandfeldern mit Vollgas reinzufahren und - komme was wolle - gerade durchzufahren. Die nächsten 40 Kilometer kommen wir recht gut voran. Elli fährt etwa 60 km/h schnell. Mehr würde der Bus vermutlich nicht verkraften. In einer kleinen Senke errichten wir unser Nachtlager. Bis zum frühen Morgen ist es sehr windig. Wir erleben eine sternklare Nacht und einen tollen Mondaufgang.

Tagebuch 12.3.2001

Kkurz nach 6.00 Uhr stehen wir auf, frühstücken und packen unsere Sachen zusammen. Gegen 8.30 Uhr fahren wir los. Alles funktioniert reibungslos, wir kommen gut voran. Bis ich entdecke, dass die Elektrik meiner TT ausgefallen ist. Der Motor läuft, aber weder Hupe, Blicker oder Licht gehen. Ursache: Die Halterung der Hupe ist am Rahmen abvibriert, Kurzschluss, Hauptsicherung durchgebrannt. Dann entdecke ich, dass die Tankaufhängung abgebrochen ist und ziehe dieverse Schrauben nach. Bald treffen wir auf das nächste große Sandloch und Elli gräbt ihren T3 so tief ein, dass der Boden aufsetzt. Wir verbringen Stunden damit, den Bus frei zu bekommen. Einige neugierige Schmutzgeier kommen, setzen sich in einiger Entfernung auf eine Anhöhe und beobachten unser Treiben. Wir sind noch etwa 110 Kilometer von Ideles entfernt. Unser Nachtlager schlagen wir am Rande der Piste in einer Senke auf. Raol stellt fest, dass sein GPS ausgefallen ist und mir, dass noch GPS-Daten bis nach Ideles fehlen. Auch wächst unser Unmut gegenüber Elli und darüber, dass wir vermeintlich wegen ihr nicht schnell genug voran kommen.

Tagebuch 13.3.2001

Knapp vier Tage haben wir für die 730 Kilometer bis Tam gebraucht. Am Campingplatz in Tam treffen wir auf etliche andere Reisende, meist unterwegs auf zwei Rädern. Eine organisierte Gruppe mit 14 Motorradfahrern und Begleitbus lässt einerseits Hoffnung aufkeimen, noch einen guten Hinterreifen mit ausreichend Profil zu bekommen (Mein "Notreifen", kurz vor der Abfahrt erstanden, hat bereits auf den 500 Kilometern durch Tunesien den größten Teil seines Profils eingebüßt), andererseits spüre ich eine deutliche Abneigung gegenüber dieser Menschenansammlung. Abends lassen wir es uns im Restaurant gut gehen und genießen ein leckeres Essen. An den Motorrädern fällt wieder Arbeit an: Der Luftfilter ist völlig zugesetzt, der Kettensatz ziemlich verschlissen (wer am falschen Ende spart...) und die Tankhalterung und der Gepäckträger gebrochen. Letzteren lasse ich in einer nahen Werkstatt schweißen - und bin empört über den exorbitanten Preis für seine Bruzzelei: Umgerechnet 45 Mark will er dafür. Zähneknirschend bezahle ich und lerne daraus, nächstes Mal vorher den Preis auszuhandeln. Raol hatte unterwegs in Ideles ebenfalls zwei gebrochene Streben an seinem Gepäclträger entdeckt und diese im Dorf für 2 Mark schweißen lassen.

Tagebuch 15.3.2001

Zu dritt starten wir heute einen Ausflug auf den Assekrem. Rund 80 Kilometer von Tam entfernt liegt der rund 2700 Meter hohe Berg Mitten im Hoggar-Gebirge. Die Landschaft ist ein Traum und wir halten öfters an, um in Gueltas zu baden oder einfach die fantastische Landschaft in uns aufzusaugen und zu fotografieren. Unterwegs trafen wir wieder auf Elli mit ihrem Bus. Sie hatte es bis Sonnenuntergang gerade bis kurz vor den Sattel des Assekrem geschafft und musste ihn wenige hundert Meter unterhalb stehen gelassen. Auch wir hatten zu kämpfen. Die TT ließ sich wegen Gemischproblemen ("Höhenkrankheit") nur noch im ersten und zweiten Gang die steilen Serpentinen hochfahren. Nachdem wir für unser Zelt auf dem Sattel einen halbwegs ebenen und steinfreien Platz geschaffen haben, steigen wir die letzten Meter zur Eremitage des Pater Foucaults auf. Eine kleine Steinhütte mit einem Andachtsraum und einer bescheidenen Bibliothek, die erstaunlicherweise vorwiegend mit Werken über den Sahara-Raum gefüllt ist, erwarten uns oben. Charles Foucault hat 1911 hier am Assekrem fünf Monate zugebracht. Die Eremitage wird noch immer von zwei französischen Patres fortgeführt. Die Nacht im Zelt auf 2700 Meter Höhe war dagegen weniger erhebend. Da wir den Großteil unseres Gepäcks in Tam zurück gelassen hatten, blieb mir nur das, was ich am Leib trug und die Motorradklamotten. Es war sehr kalt. Morgens um 6.08 Uhr wache ich auf. Gerade noch rechtzeitig, um die anderen zu wecken, die Klamotten anzuziehen und gemeinsam auf den Gipfel zu stapfen. Es Außer uns sind kaum andere Touristen da, und in aller Stille genieße ich den Sonnenaufgang über dem Hoggar. Ein Traum geht in Erfüllung. Für die Rückfahrt benötigen wir etw drei Stunden bis nach Tam. Und das, obwohl an Raols BMW sich zum dritten Mal auf dieser Reise der Simmering des Gabelholms verabschiedet und das Öl am Motor verdampft. Ich verliere auf dem Rückweg über die Wellblechpisten nur eine Schraube von der Tankhalterung und eine von der Fußraste - kaum der Rede wert.

Tagebuch 19.3.2001

Nach der Assekrem-Tour bereiten wir uns langsam auf die Weiterfahrt vor. Zurück nach Illizi. Über die selbe Piste, wie auf der Herfahrt. Diesmal sind Raol und ich alleine unterwegs. Patrick hat sich von uns verabschiedet und fährt alleine Richtung In Salah, wo er seine Gruppe treffen wird. Raol und ich schaffen nicht einmal 200 Kilometer. Zuerst verzögert sich unsere Abfahrt und dann treffen wir am Pisteneinstieg auf eine freundliche Polizeikontrolle, die uns zu Tee und Gebäck einlädt, Gruppenfotos inklusive. Am darauf folgenden Morgen sitzen wir bereits um 8.00 uhr auf unseren Maschinen. Die Strecke kennen wir noch von unserer Herfahrt, was soll also schief gehen? In der Serirebene brummen die Motoren unter uns bei Tempo 90 monoton vor sich hin. Ich rechnete mir schon im Kopf aus, dass wir nachmittags in Fort Gardel und an der Teerstraße sein könnten. Raol hat sich wegen der Staubentwicklung etwas zurück fallen lassen. Als ich wieder einmal auf ihn warte, warte ich vergeblich. Keine Spur von Raol zu sehen, keine Staubfahne am Himmel. Nach kurzem Warten und einem mulmigen Gefühl im Bauch beschließe ich, entlang meinen Spuren zurück zu fahren und ihn zu suchen. Nach wenigen Kilometern finde ich ihn. Ein Fesch-Fesch-Loch und ein darin verborgener Stein haben ihn in voller Fahrt ausgehebelt. Auf den ersten Blick sieht die BMW nicht gut aus. Zersplitterte Armaturen, ein gebrochenes Windschild, verbogene Teile. Raol blutet aus einer Wunde an der Wangeund sieht etwas bedröppelt drein. Die Stimmung ist dahin. Gemeinsam richten wir die GS auf und unter dem Einsatz von mehreren Metern Klebeband wieder soweit her, dass sie halbwegs fahrtüchtig ist. In vorsichtigerem Tempo setzen wir die Fahrt fort. Die Teerstraße erreichen wir erst nach einer weiteren Nacht auf der Piste und Illizi am Nachmittag. In Illizi erholen wir uns von dem Schrecken. Ich erreiche David telefonisch zu Hause und übermittle ihm den Auftrag, mir einen neuen Kettensatz nach Tunesien mitzubringen und in Nabeul am Campingplatz für mich zu deponieren. Die Zähne des Kettenblatts erinnern mittlerweile an Haifischflossen. Wir verbringen zwei Tage in Illizi. Die Zeit nutze ich auch, um an der TT die Ventile einzustellen, den Luftfilter zu reinigen und nach lockeren Schrauben zu schauen.

Tagebuch 24.3.2001

Wir planen die Weiterfahrt. Eigentlich würden wir gerne über die Gräberpiste gen Norden fahren und uns einer anderen Gruppe Geländewagenfahrern anschließen. Doch der stark verschlissene Zustand meines Kettensatzes gibt Anlass zur Sorge. Wir bleiben auf der Straße. Alleine auf den 600 Kilometern bis Hassi Bel Gebbour schreitet der Verschleiß so schnell voran, dass ich mich genötigt sehe, einen Versuch zu wagen und das - bisher umsonst mitgeschleppte - 50er-Blatt zu montieren. Und siehe da! Diesmal pass es! Bei umsichtiger Fahrweise sollte die Kette noch bis Nabeul halten. Aber die Tuan-Passage durch den Grand Erg Oriental müssen wir uns für ein anderes mal aufheben. Wir lagern immer abseits der Straße hinter Dünen oder Hügeln, um außer Sicht zu sein. Am Fuß einer großen Düne im Gassi Touil entdecken wir Straußeneischalen und einige Steinwerkzeuge. Die weitere Fahrt nach Tunesien gestaltet sich problemlos und wir rollen direkt nach Touzeur zum Campinplatz.

Tagebuch 26.3.2001

Wir beschließen weiter zu fahren, anstatt in Touzeur herumzugammeln. Die Strecke führt uns noch entlang der Algerischen Grenze Richtung Norden. Am Tafelberg Table de Joghurta (siehe auch meine erste Tunesienreise 1993) verbringen wir eine Nacht und steigen auf den Tafelberg, von dem wir eine tolle Aussicht genießen. Die Weiterfahrt führt uns über Maktar gen Kairouan, über kurvenreiche Bergstraßen und durch duftende Pinienwälder. Ich komme mir vor wie in der Toskana.

Tagebuch 27.3.2001

Und tatsächlich erwartet mich am Campingplatz ein nagelneuer Kettenstz für meine TT. Die Heimfahrt ist gerettet.

Text & Fotos: Thomas Stutz
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